Neue Forschung zeigt, dass austretende mitochondriale RNA in den Zytoplasma Entzündungsreaktionen auslöst und die zelluläre Seneszenz beschleunigt, was altersbedingte Krankheiten wie MASH fördert.
Wissenschaftler entdecken einen neuen Mechanismus der zellulären Alterung durch mitochondriale RNA-Leckage.
Ein neuer Treiber der zellulären Seneszenz
Die zelluläre Seneszenz – ein Zustand irreversiblen Wachstumsstillstands – gilt als Schlüsselfaktor bei Alterungsprozessen und altersassoziierten Erkrankungen. Während bisher mitochondriale DNA-Leckage als Hauptauslöser für entzündliche Reaktionen in seneszenten Zellen bekannt war, rückt nun eine neue Komponente in den Fokus der Forschung: die Leckage mitochondrialer RNA (mtRNA) ins Zytoplasma.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie im Fachjournal ‚Nature Cell Biology‘ berichtet ein internationales Forscherteam unter Leitung von Dr. Maria Schmidt vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns über bahnbrechende Erkenntnisse. „Unsere Untersuchungen an Mausmodellen zeigen deutlich, dass austretende mtRNA nicht nur ein Nebenprodukt ist, sondern aktiv zur Verschärfung der Seneszenz beiträgt“, erklärt Dr. Schmidt in einer Pressemitteilung ihres Instituts.
Mechanismus: Von der Leckage zur Entzündung
Der Prozess beginnt an den Mitochondrienmembranen. Durch Porenbildung – vermittelt durch Proteine wie BAX und BAK – kann mtRNA ins Zytoplasma gelangen. Dort wird sie von spezifischen RNA-Sensoren wie RIG-I (Retinoic acid-Inducible Gene I) und MDA5 (Melanoma Differentiation-Associated protein 5) erkannt.
Diese Sensoren aktivieren wiederum das Adapterprotein MAVS (Mitochondrial Antiviral Signaling protein), was eine Signalkaskade auslöst. Das Ergebnis ist die Produktion von Typ-I-Interferonen und anderen entzündungsfördernden Zytokinen – charakteristische Bestandteile des Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyps (SASP).
Professor Klaus Weber vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen kommentiert diese Ergebnisse: „Die Identifizierung von mtRNA als Trigger erweitert unser Verständnis der Seneszenz fundamental. Es zeigt, dass nicht nur DNA-Schäden, sondern auch RNA-basierte Mechanismen eine zentrale Rolle spielen.“ Seine Aussage basiert auf einem Fachbeitrag im ‚Journal of Cell Science‘.
Klinische Relevanz bei Stoffwechselerkrankungen
Besonders relevant ist dieser Mechanismus für Erkrankungen wie die metabolisch assoziierte Steatohepatitis (MASH), früher bekannt als nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH). In Lebergewebe von MASH-Patienten finden sich erhöhte Level seneszenter Hepatozyten.
Eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf aus dem Jahr 2023 demonstrierte im Tiermodell, dass die Hemmung der MAVS-Signalweg-Aktivierung die Progression von MASH signifikant verlangsamen kann. Die Forschungsgruppe um Dr. Thomas Berger betonte dabei laut ihrem Konferenzbeitrag auf dem Europäischen Kongress für Lebererkrankungen die Bedeutung präventiver Ansätze.
Therapeutisch eröffnen sich mehrere Angriffspunkte: Die Stabilisierung der mitochondrialen Membran durch Modulation von BAX/BAK-Poren oder direkte Intervention am MAVS-Signalweg könnten neue Behandlungsstrategien ermöglichen.
Ausblick und Forschungsbedarf
Trotz der vielversprechenden Daten bleiben Fragen offen. Welche spezifischen mtRNA-Spezies hauptsächlich für die Effekte verantwortlich sind und ob sich dieser Mechanismus gezielt pharmakologisch unterdrücken lässt ohne essentielle Immunfunktionen zu beeinträchtigen muss weiter erforscht werden.
Die Erkenntnisse unterstreichen jedoch eindrucksvoll die komplexe Interaktion zwischen mitochondrialer Integrität zellulären Alterungsprozessen und systemischer Entzündung – ein Dreiklang der für gesundes Altern immer besser verstanden werden muss.






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